Wege zur Integration

Das Märchen vom Professor, seiner Mitstreiterin und einem Theologiestudenten

Nach einem Interview mit dem ehemaligen Pastor Kuhlmann, das zu Heiligabend 2007 im Wittlager Kreisblatt erschien, einer Erwiederung von mir und einem nachfolgenden Leserbief von Frau Mees, die über die unten aufgeführten Downloads entsprechend eingesehen werden können, entstand noch folgender, abschließender Artikel, der auch im Eichenblatt erschien:

Das Märchen vom Professor, seiner Mitstreiterin und einem Theologiestudenten

Es war einmal ein naiver, treuherziger Gutmensch. Der hatte an Weihnachten von den Gedanken eines großen Professors gelesen. Nach der Lektüre waren ihm Aussagen des großen Mannes, mit denen dieser gegen bestimmte Menschen agitiert hatte, noch lange nachgeklungen. Denn sie waren sehr undifferenziert und von tiefsitzender Angst geprägt. Es hatte ihn zudem befremdet, dass diesem großen Mann eine solch unkritische und prominente Plattform geliefert worden war – auch noch zum Fest der Liebe. Nach einigen Tagen nahm der Gutmensch seine bescheidenen intellektuellen Fähigkeiten und seinen Mut zusammen und entschloss sich eine Erwiderung zu verfassen - schließlich war er selber nur ein unerfahrener Student und der andere ein hochgebildeter, weitgereister Professor und ehemaliger Pastor. Der treuherzige Gutmensch arbeitete also sein Halbwissen auf und goss darüber noch eine süßlich-grüne Soße aus, die selbst Mord und Totschlag rechtfertigen sollte.

Leider reichte seine Intelligenz nicht aus, um z.B. zu erkennen, dass der Professor, wenn er dazu aufforderte, sich der Schulkinder anzunehmen und sie im Sinne der hiesigen Kultur des Christentums, des Humanismus und der Freiheit zu erziehen, natürlich nicht vom Schulunterricht sprach, sondern nur vom Schulgesetz.

Weil seine intellektuellen Defizite bekannt wurden, bekam der Gutmensch Nachhilfeunterricht von einer wohlmeinenden Mitstreiterin des großen Professors. In der ersten Unterrichtsstunde ging es um ein beliebtes Urlaubsland, das zum Kreis der Religionsgemeinschaft gerechnet wird, die von dem Professor angegriffen worden war. Dieses Land lag zu einem ganz kleinen Teil sogar auf dem Boden der Alten Welt, die der Kulturkreis des Gutmenschen und des Professors ist. In diesem Land war die Wahl des Staatspräsidenten wegen der religiösen Praxis seiner Frau, einer Kopftuchträgerin, vor kurzem ein skandalöses Politikum (incl. Parlamentsauflösung und Wiederholung der Präsidentenwahl), weil Religion und Politik in diesem Land seit seiner Gründung vehement auseinandergehalten werden. Aber der Naivling lernte wissbegierig, dass in dieser Religionsgemeinschaft Religion und Politik trotzdem nirgendwo auf der Welt getrennt sind, dass alle Staatenlenker dieser Länder priesterlich-fundamentalistische Führer sind und dass man diese Religionsgemeinschaft auch dann als vollkommen einheitlicher Block ansehen muss, wenn sich Länder derselben Gemeinschaft auch wegen religiöser Differenzen bekriegen und sich alle dabei ganz offensichtlich nach ein und demselben, für alle gültigen Gesetz richten. Dass dieser Naivling dies bisher nicht von allein gesehen hatte, lag sicher an seiner grün gefärbten Brille.

In einer zweiten Unterrichtsstunde ging es um die politischen Aktivitäten religiöser Gemeinschaften. Seine gebildete Lehrerin zeigte ihm ganz im Sinne des Professors, dass die Gemeinschaft seiner eigenen Religion eine rein spirituelle Ausrichtung habe, während bei der anderen Religion der Wahrheitsanspruch gleichzeitig auch politischer Machtanspruch sei. Wiederum lernte der Student voller Staunen, dass der Einsatz für Arme und Benachteiligte, dass das Gewähren von Asyl für Verfolgte in den eigenen Räumen eine rein spirituelle Aufgabe sei, die rein gar nichts mit Politik zu tun habe. Er lernte weiter, dass selbst der mächtigste Mann der Welt ein erklärter Atheist sei und die Bibel nie zu seinem politischen Maßstab erklärt habe. Ganz zu schweigen davon, dass der Verfassung des Heimatlandes des Gutmenschen zwar eine Erklärung vorangestellt sei, die mit den Worten beginnt: „In Verantwortung vor Gott und den Menschen…“, aber dass damit ebenfalls nur eine rein spirituelle Dimension angesprochen sei. Wie dumm von dem – ausschließlich auf seine religiöse Literatur fokussierten - Theologiestudenten dies nicht schon von selbst begriffen zu haben.

In der dritten Lehrstunde wurde der Student von der wohlmeinenden Mitbürgerin wiederum des blanken Unwissens und völlig fehlgeleiteter Menschenkenntnis überführt. Er hatte nämlich gefragt, woher der große Wissenschaftler wisse, dass fast alle Muslime mit dem festen Vorsatz zu ihnen ins Land kämen, sich der Integration auf jeden Fall zu verweigern. Ihm wurde deutlich gemacht, dass diese Unterstellung unter den Experten längst ein Gemeinplatz sei, für die ein Professor selbstverständlich keine wissenschaftliche Untersuchung benötige. Der Gutmensch lernte weiter, dass man jenen Muslimen besonders glaubwürdig begegne, so die Lehrerin und der ehem. Pastor einmütig, wenn man Ängste gegen sie in der eigenen Bevölkerung schüre und den Einwanderern ihre Unwilligkeit und ihr Dominanzstreben nur oft und laut genug vorhalte. Statt diesen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, wie der Gutmensch in seiner Naivität gedacht hatte, sollte man doch besser den Ansatz der Pauschalverurteilungen und der Herabwürdigung benutzen, um die vielen Integrationsprobleme lösen, die z.B. muslimische Menschen hier ohne Zweifel haben, da ist sich der Multikulti-Anhänger jetzt ganz sicher. Mit so einer Einstellung werbe man, so legten es der ehemalige Pastor und seine Mitstreiterin überzeugend dar, besonders vorbildhaft für die großen Werte des Christentums: Freiheit und Nächstenliebe.

Mit den Erkenntnissen dieser dritten Unterrichtsstunde war der Nachhilfeunterricht zunächst beendet. Voller Bewunderung für seine intelligente Lehrerin übernahm der von multikulturellem Wunschdenken beseelte Gutmensch ihre brillianten Argumentationsmuster, schaute sich – soweit dies seine grüne Brille überhaupt zuließ - ihre scharfsinnige Wahrnehmungsfähigkeit ab und verinnerlichte ihre überzeugende Menschenkenntnis. Dank seiner Lehrerin konnte er muslimischen wie christlichen Menschen in seiner Umgebung jetzt viel erfolgreicher und viel weniger naiv als vorher einen Weg zu besserer Integration zeigen. Jedoch die Intelligenzstufe des großen Professors zu erreichen, wird ihm wohl nie gelingen.

Und wenn er nicht gestorben ist, lernt er von ihr noch heute.